Dialektisch-Behaviorale Therapie-basierte Interventionen (DBT-A) bei Jugendlichen mit externalisierender Symptomatik: Veränderungsmessung via Ecological Momentary Assessment
PI: Aleksandra Kaurin
Koordinatorin: Paula Philippi
Kooperationspartner: Marco Walg, Zentrum für Seelische Gesundheit des Kindes- und Jugendalters, Sana-Klinikum Remscheid
Projektlaufzeit: 2024
Zahlreiche Arbeiten weisen darauf hin, dass ein substanzieller Teil psychischer Störungen entwicklungsgeschichtlich erstmalig in der Kindheit bzw. Adoleszenz auftreten (z. B. treten Angststörungen in der Regel zwischen dem 5.5. und dem 15.5. Lebensjahr auf, Solmi et al., 2022; Störungen der Impulskontrolle zwischen dem 7. und 15. Lebensjahr, Kessler et al., 2007). Die Adoleszenz ist geprägt von signifikanten kognitiven und emotionalen Veränderungen, sowie gesteigerter Impulsivität. Jugendliche neigen dazu, riskante Verhaltensweisen zu entwickeln, insbesondere im Umgang mit Gleichaltrigen, bevor sie in das Erwachsenenalter übergehen, in dem sich die kognitive Kontrolle und die Selbstregulation verbessern (Andrews et al., 2021). Angesichts der Vielzahl von Stressoren, die mit diesem Entwicklungsübergang einhergehen, ist der Erwerb effektiver sozio-emotionaler Bewältigungsstrategien von großer Bedeutung (Modecki et al., 2017; Kaurin et al., 2023). Jugendliche, die Schwierigkeiten mit der Selbstregulation haben und keine angemessenen Bewältigungsstrategien entwickeln, könnten einem Risiko für externalisierende Probleme ausgesetzt sein, darunter zwischenmenschliche Aggressivität und behaviorale Dysregulation, antisoziales Verhalten sowie Vorläufer der Borderline-Persönlichkeitsstörung. Diese Symptome sind Vorboten für eine Vielzahl von ungünstigen Entwicklungsverläufen bei Jugendlichen, selbst in Abwesenheit einer vollständigen Diagnose. Dieser Umstand unterstreicht die Bedeutung der Modifikation von Risikofaktoren während dieses sensiblen Entwicklungszeitraums.
Interventionen zur Bewältigung von externalisierenden Problemen bei Jugendlichen sind möglicherweise am effektivsten, wenn sie die Bewältigungsstrategien von Jugendlichen inmitten einer emotionalen Krise oder akuten Belastungssituation trainieren (McCart & Sheidow, 2016; Kaurin et al., 2022). Unsere Studie zielt darauf ab, quantitative Veränderungen in den sozio-affektiven Dynamiken im Alltag von Jugendlichen zu modellieren, die an dialektisch-behavioralen Therapieangeboten für Jugendliche (DBT-A) teilnehmen. DBT-A ist eine gut erforschte, evidenzbasierte Intervention (Mehlum et al., 2019), die darauf abzielt, dysreguliertes und destruktives Verhalten zu reduzieren, indem sie die Emotionsregulation verbessert und somit externalisierende Symptome bei Jugendlichen verringert. DBT, ursprünglich basierend auf einer biosozialen Theorie, die ätiologisch eine emotionale Verwundbarkeit mit einer emotional invalidierenden Kindheitsumgebung zusammenbringt (Linehan, 1993), integriert Verhaltensänderungsstrategien aus der kognitiven Verhaltenstherapie, Achtsamkeitspraktiken und Ansätze der radikalen Akzeptanz. Sie zeichnet sich durch die Förderung eines dialektischen Gleichgewichts zwischen Veränderung und Selbstakzeptanz in der Umgestaltung von Denken und Verhalten aus. Anpassungen für Jugendliche (DBT-A) zielen darauf ab, die Therapiedauer zu verkürzen, altersgerechte Modifikationen zu integrieren und erfahrungsbezogene Übungen im Alltag der Jugendlichen in den Fokus zu rücken (MacPherson et al., 2013).
Bisher gibt es keine Studien, die Veränderungen in zentralen alltäglichen selbst- und affektregulatorischen Prozessen (einschließlich Stressgenerierung, -sensitivität und -reaktivität) in Reaktion auf die DBT-A-Therapie untersuchen. Unsere Studie zielt darauf ab, diese Lücke mithilfe von Ecological Momentary Assessment (EMA) zu schließen. Hierbei werden Daten aus dem Alltag von Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren mit klinisch bedeutsamen externalisierenden Problemen, einschließlich der Diagnose der Borderline-Persönlichkeitsstörung, in den letzten Wochen der eines tagesklinischen DBT-A-Therapieangebots (n=50) im Vergleich zu einer Wartelisten-Kontrollgruppe (n=50) erhoben. EMA ermöglicht eine dichte (d.h., wiederholte tägliche Befragungen) und ökologisch valide Messung affektregulatorischer Prozesse im Alltag der Jugendlichen. Wir testen die Hypothese, dass DBT-A Prozesse der sozio-affektiven Dysregulation im Alltag von Jugendlichen in einer Weise modifizieren wird, die zu einer Verringerung der (interpersonellen) Stressgenerierung, -sensitivität und -reaktivität in Reaktion auf Stressoren im Alltag der Jugendlichen führt. Darüber hinaus versucht die Studie festzustellen, ob Veränderungen in emotionalen Erfahrungen mit klinischen Verbesserungen einhergehen und somit Aufschluss über die emotionalen Wege geben, auf denen DBT-A ihre Effekte auf externalisierende Symptome bei Jugendlichen ausübt.
Referenzen
Andrews, J. L., Ahmed, S. P., & Blakemore, S. J. (2021). Navigating the social environment in adolescence: The role of social brain development. Biological Psychiatry, 89(2), 109–118. https://doi.org/10.1016/j.biopsych .2020.09.012
Kaurin, A., Dombrovski, A.Y., Hallquist, M., & Wright, A.G.C. (2022). Integrating a Functional View on Suicide Risk into Idiographic Statistical Models. Behavior Research and Therapy. 150, 104012.
Preprint: https://psyarxiv.com/489k3/
Kaurin, A., Do, Q. B., Ladouceur, C. D., Silk, J. S., & Wright, A. G. C. (2023). Daily manifestations of caregiver- and self-reported maladaptive personality traits in adolescent girls. Personality Disorders: Theory, Research, and Treatment, 14(5), 490–500. https://doi.org/10.1037/per0000625
Kessler, R. C., Berglund, P., Demler, O., Jin, R., Merikangas, K. R., & Walters, E. E. (2005). Lifetime prevalence and age-of-onset distributions of DSM-IV disorders in the National Comorbidity Survey Replication. Archives of general psychiatry, 62(6), 593-602.
Linehan, M. (1993a). Cognitive–behavioral treatment of borderline personality disorder. Guilford Press.
MacPherson, H. A., Cheavens, J. S., & Fristad, M. A. (2013). Dialectical behavior therapy for adolescents: Theory, treatment adaptations, and empirical outcomes. Clinical Child and Family Psychology Review, 16(1), 59–80. https://doi.org/10.1007/s10567-012-0126-7
Mehlum, L., Ramleth, R. K., Tørmoen, A. J., Haga, E., Diep, L. M., Stanley, B. H., ... & Grøholt, B. (2019). Long term effectiveness of dialectical behavior therapy versus enhanced usual care for adolescents with self‐harming and suicidal behavior. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 60(10), 1112-1122.
McCart, M. R., & Sheidow, A. J. (2016). Evidence-based psychosocial treat- ments for adolescents with disruptive behavior. Journal of Clinical Child & Adolescent Psychology, 45(5), 529–563. https://doi.org/10.1080/ 15374416.2016.1146990
Modecki, K. L., Zimmer-Gembeck, M. J., & Guerra, N. (2017). Emotion reg- ulation, coping, and decision making: Three linked skills for preventing externalizing problems in adolescence. Child Development, 88(2), 417– 426. https://doi.org/10.1111/cdev.12734
Solmi, M., Radua, J., Olivola, M., Croce, E., Soardo, L., Salazar de Pablo, G., ... & Fusar-Poli, P. (2021). Age at onset of mental disorders worldwide: large-scale meta-analysis of 192 epidemiological studies. Molecular Psychiatry, 1-15.
zuletzt bearbeitet am: 30.10.2023